Antrag auf Einberufung einer Sitzung des Stadtrates Blieskastel

Antrag auf Einberufung einer Sitzung des Stadtrates Blieskastel

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragt hiermit

I. gem. § 41 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 4 Kommunalselbstverwaltungsgesetz (KSVG) die unverzügliche Einberufung einer Stadtratssitzung noch in dieser Woche,

II. hilfsweise gem. § 41 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 3 KSVG die unverzügliche Einberufung einer Stadtratssitzung bis einschließlich 04.06.2024.

III. Verhandlungsgegenstand dieser Stadtratssitzung soll eine Aussprache zum Hochwasserereignis in Blieskastel über das Pfingstwochenende sowie diesbezüglich zu treffende haushaltsrelevante Entscheidungen sein. Über bereits getroffene Entscheidungen des Bürgermeisters soll der Stadtrat gem. § 61 Abs. 2 KSVG informiert werden. Dabei soll der Stadtrat im Rahmen der Einwohnerfragestunde für die Geschädigten und interessierten Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit schaffen, dass alle bestehenden Fragen gestellt werden können. Die Stadtverwaltung soll einen Vertreter oder eine Vertreterin des Entsorgungsverbandes Saar (EVS) in die Sitzung einladen. Wegen des zu erwartenden öffentlichen Interesses soll die Sitzung in der Würzbachhalle stattfinden. Alternativ kommt eine Übertragung in die Markthalle in Frage.

Begründung:

I. Unverzügliche Einberufung einer Ratssitzung in dieser Woche (27.05.-31.05.24)

Die Fraktion Bündnis90/Die Grünen Blieskastel beantragt die unverzügliche Einberufung einer Stadtratssitzung gem. § 41 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 4 Kommunalselbstverwaltungsgesetz (KSVG) noch in dieser Woche. Die von der Verwaltung erlassene Anordnung über die Vollziehung des § 61 KSVG und das Verfahren im Wege der Anordnungsbefugnis des Bürgermeisters der Stadt Blieskastel stehen dem nicht entgegen.

Die Stadt Blieskastel begründet die Anordnung über die Vollziehung nach § 61 KSVG mit einer fortbestehenden erheblichen Gefahr. Weiterhin könne der Stadtrat nicht zusammenkommen, da es der Stadt Blieskastel aufgrund fehlender personeller Ressourcen nicht möglich sei, eine ordnungsgemäße Sitzungsvorbereitung im Sinne des § 41 KSVG vorzubereiten. Darüber hinaus wären im Hinblick auf die Ferienzeit viele Kommunalvertreter*innen verhindert. Entscheidungen müssten aktuell binnen weniger Minuten getroffen werden und könnten faktisch nicht durch Beschlüsse von Kollegialorganen i.S. der Kommunalverfassung getroffen werden. Dementsprechend wird explizit die Anwendung von § 41 Abs. 3 S. 4 KSVG und damit eine Dringlichkeitssitzung ausgeschlossen.

Die von der Verwaltung vorgelegt Argumentation hält einer juristischen Prüfung nicht stand.

§ 61 Kommunalselbstverwaltungsgesetz (KSVG) berechtigt den Bürgermeister, dringende Maßnahmen, die aus Gründen des Gemeinwohls keinen Aufschub dulden, auch ohne Beschluss des Gemeinderats anzuordnen. Diese Anordnungsbefugnis ist ein Eilentscheidungsrecht, das den Grundsatz der Ratszuständigkeit gem. § 34 KSVG für dringende Maßnahmen durchbricht. Der Eingriff des ausführenden Organs ist nur unter den beiden Voraussetzungen zulässig, dass die Maßnahmen „dringend“ sind und „aus Gründen des Gemeinwohls keinen Aufschub dulden“. Im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Vorschrift ist eine enge Auslegung angezeigt und bei der Prüfung der Voraussetzungen streng vorzugehen. Die Befugnis erstreckt sich auf Maßnahmen, an denen der Rat mitwirken muss bzw. ihm die Entscheidung allein obliegt (§ 35 KSVG). Dringlichkeit bedeutet Eilbedürftigkeit oder Unaufschiebbarkeit. Dabei ist zu erwägen, ob nicht die Einberufung des Rates mit verkürzter Einberufungsfrist gem. § 41 Abs. 3 S. 4 KSVG in Frage kommt. Demnach kommt eine Eilentscheidung nur in ganz dringenden Fällen, in denen eine Entscheidung binnen weniger Stunden getroffen werden muss, in Betracht.

Die Anwendung von § 61 KSVG beschränkt sich ausweislich des Gesetzeswortlautes sowie der Kommentar-Literatur auf Entscheidungen, die binnen weniger Stunden getroffen werden müssen. Es handelt sich insoweit um Einzelfallentscheidungen. Der Gesetzeswortlaut ermöglicht keine generelle Anwendung des „Einzelfallentscheidungsrechts“ des Bürgermeisters über mehrere Tage oder wie in diesem Falle gar Wochen. Es gilt der Grundsatz der Ratszuständigkeit gem. § 34 KSVG. Dieser Grundsatz kann im Hinblick auf die haushaltsrelevanten Entscheidungen, die im Nachgang zur Hochwasserkatastrophe in Blieskastel zu treffen sind, nicht über einen längeren Zeitraum umgangen werden. Über das Pfingstwochenende war eine solche Dringlichkeit noch begründbar, es mussten beispielsweise Container und schwere Maschinen für die Aufräumarbeiten bestellt werden. Auch für Dienstag, 21.05.2024, an dem weiterer Starkregen erwartet wurde und für die drei darauffolgenden Werktage können Eilentscheidungen im Sinne des § 61 KSVG als angebracht angesehen werden. So war das Material der Feuerwehr, welches bei den vielen Einsätzen über das Pfingstwochenende beschädigt wurde, sofort nachzubestellen. Diese Maßnahmen waren dringend und im Sinne des Gemeinwohls duldete die Nachbeschaffung für mögliche Folgeeinsätze keinen Aufschub.

Eine darüberhinausgehende Anwendung von § 61 Abs. 1 KSVG ist juristisch nicht haltbar. Alle weiteren Entscheidungen waren gerade nicht binnen weniger Stunden zu treffen. Durch die Möglichkeit des § 41 Abs. 3 S. 4 KSVG hätte kurzfristig der Blieskastel Stadtrat zu einer oder sogar mehreren Sitzungen einberufen werden können, beispielsweise direkt am heutigen Montag, 27.05.2024. Eine, wie von der Verwaltung angenommene, erhebliche Gefahr besteht nicht fort. Eine Gefahr für ein bedeutsames Rechtsgut, wie Leben, Gesundheit, Freiheit, wesentliche Vermögenswerte oder den Bestand des Staates besteht spätestens seit Mittwoch, 22.05.2024, nicht mehr. Es ist kein weiterer Starkregen zu erwarten, bestehende Überflutungen innerhalb des Stadtgebietes gibt es nicht mehr. Weiterhin haben viele Stadtratsmitglieder über das Pfingstwochenende geholfen: Beim Sandsäcke füllen, bei der Sicherung des Hochwasserdamms oder bei den anschließenden Aufräumarbeiten. Anzunehmen, dass alle oder ein Großteil der 39 Ratsmitglieder im Urlaub sind, ermöglicht nicht die generelle Anwendung von § 61 Abs. 1 KSVG. Mit der Anwendbarkeit von § 61 Abs. 1 KSVG auf alle Entscheidungen bis zum 02.06.2024 legt die Verwaltung die Vorschrift gerade nicht, wie vom Verwaltungsgericht Koblenz gefordert, eng aus.

Der Verweis auf fehlende personelle Ressourcen stellt im Rahmen der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere der generellen Zuständigkeit des Rates gem. § 34 KSVG, kein Hinderungsgrund für die Einberufung einer Stadtratssitzung dar. Ebenso wird durch diesen Verweis nicht der Weg für eine Anwendung des § 61 KSVG über mehrere Tage geöffnet. Staatliche Behörden haben die Anwendung geltenden Rechts sicherzustellen. Der Bürgermeister der Stadt Blieskastel hat die Funktionsfähigkeit der Stadtverwaltung sicherzustellen. Insofern sind alle weiteren, nicht eilbedürftigen Entscheidungen vom Blieskasteler Stadtrat zu treffen.

Die Anordnung über die Vollziehung des § 61 KSVG und das Verfahren im Wege der Anordnungsbefugnis des Bürgermeisters der Stadt Blieskastel ist daher aus rechtlichen sowie tatsächlichen Gründen rechtswidrig.

II. Unverzügliche Einberufung einer Stadtratssitzung in der Woche vom 03.06.-09.06.2024.

Sofern seitens der Stadtverwaltung keine Stadtratssitzung noch in dieser Woche einberufen wird, beantragt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hilfsweise die Einberufung einer Ratssitzung in der kommenden Woche, 03.06.-09.06.2024.

Die Geschädigten sowie Bürgerinnen und Bürger von Blieskastel verlangen zu Recht Aufklärung zu dem Hochwasserereignis in der Blieskasteler Altstadt. Diese haben ein Recht darauf, zu erfahren, wieso es zu dem Pumpwerksausfall und infolgedessen zur Überschwemmung in der Altstadt mit massiven Schäden an ihren Häusern kam. Und dies zeitnah, nicht erst im Herbst 2024. Der neugewählte Stadtrat wird am 11.07.2024 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen. Danach sind Ferien und eine Befassung mit den Umständen der Hochwasserkatastrophe wird vor Herbst/Winter 2024 nicht erfolgen. Für die Geschädigten ist dies zu spät.

III. Gegenstand der Sonderstadtratssitzung

Gegenstand der Sonderstadtratssitzung soll ein Austausch und eine Bürger-Information mit Fragemöglichkeit für die Geschädigten sowie interessierte Blieskasteler Bürgerinnen und Bürger sein. Dazu soll ein/e Vertreter/in des EVS eingeladen werden und über die Abläufe aus Sicht des EVS berichten. Auch der Wehrführer der Stadt Blieskastel, dessen Weitsicht, Erfahrung und Sachverstand es zu verdanken ist, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist, sollte einen Bericht zur Geschehenslage aus Sicht der Freiwilligen Feuerwehr Blieskastel abgeben. Ebenso sollten der Bürgermeister sowie das Abwasserwerk der Stadt Blieskastel einen Bericht abgeben.

Auch der Landtag des Saarlandes hat sich am 27.05.2024 mit dem Hochwasser im Saarland befasst. Eine derartige Aussprache nach Notstandslagen und Katastrophenereignissen ist für Kollegialorgane üblich. Neben den zuvor genannten Berichten und der Fragemöglichkeit, sollen dem Stadtrat alle weiteren zu treffenden haushaltsrelevanten Entscheidungen vorgelegt werden. Diese sind vorbehaltene Aufgabe des Stadtrates gem. § 35 S. 1 Nr. 15 KSVG. Insbesondere die Zustimmung zu erheblichen überplanmäßigen und außerplanmäßigen Aufwendungen und Auszahlungen oder derartigen Verpflichtungsermächtigungen ist Aufgabe des Gemeinderates. Über bereits getroffene Eilentscheidungen des Bürgermeisters soll der Stadtrat gem. § 61 Abs. 2 KSVG informiert werden.

In diesem Zusammenhang wird auch darauf verwiesen, dass das Land bereits in der ersten Nacht des Hochwasserereignisses im Saarland darauf verwiesen hat, dass gem. § 8 Saarlandpakt-Gesetz eine außergewöhnliche Notsituation vorliegt und somit Abweichungen vom Saarlandpakt möglich sind. Ebenso wurde auf die Sonderkreditfähigkeit verwiesen und eine Information zur Handhabung vergaberechtlicher Fragen versendet.

Selbstverständlich soll die Sitzung öffentlich sein und der Stadtrat im Rahmen der Einwohnerfragestunde allen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, Fragen zu stellen.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass zu diesem Zeitpunkt sicherlich keine gänzliche Nachbetrachtung der Ereignisse möglich ist. In diesem Zusammenhang hält die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Prüfung der Abläufe durch eine/n unabhängigen Sachverständige/n für notwendig. Zum jetzigen Zeitpunkt kann jedoch bereits ein erster Bericht erfolgen und es können Geschehensabläufe geschildert sowie erste hieraus gezogene Schlüsse dargelegt werden.

Die Geschädigten des Hochwassers in der Altstadt verdienen Antworten auf Ihre Fragen.
Jetzt und nicht erst in ein paar Monaten.

gez. Lukas Paltz
Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen